Premiere der „Physiker“ in den Kammerspielen in Bad Godesberg

BONN. Die Weltformel, das System aller möglichen Erfindungen, ein geheimnisvoller Doppelmord, zwei verfeindete Geheimagenten, ein Physiker der seine Forschungen um keinen Preis an die Öffentlichkeit bringen möchte, der König Salomo und eine irre Irrenärztin; was erst einmal nach einem abgedrehten Science-Fiction Film klingt ist in kurzen Worten zusammengefasst der Inhalt von Friedrich Dürrenmatt’s „Die Physiker“.

Von Physikern, Ärzten und verzweifelten Polizisten ist in Simon Solberg’s Umsetzung der „Physiker“, die momentan in den Kammerspielen in Bad Godesberg zu sehen ist, zwar wenig zu sehen, dafür jedoch umso mehr von Verrückten, zu Geigen gewordenen Irren und Tieren, die wild über die Bühne springen.

Es ist geradezu ein Universum an Einfällen, jedoch ohne ein winziges Aufblitzen von Intellektualität. Vermittelt werden Eindrücke, keine Einsichten.

Verantwortung der Wissenschaft

Der Schweizer Friedrich Dürrenmatt (1921-1990) wollte in seinem 1962 in Zürich uraufgeführten Drama auf die Verantwortung der Wissenschaft hinweisen. Seine drei Physiker kommen letztendlich zu dem Ergebnis, dass es besser sei, in dem Irrenhaus zu bleiben anstatt die Welt mit ihren Forschungsergebnissen in eines zu verwandeln, denn „nur im Irrenhaus sind (sie) noch frei. Nur im Irrenhaus dürfen (sie) noch denken. In der Freiheit sind (ihre) Gedanken Sprengstoff.“

Dürrenmatt’s „Komödie in zwei Akten“ besitzt einen todernsten Kern. Das Thema der zerstörerischen Natur der Menschen und der Massenvernichtung.

Die Zerrissenheit zwischen Verantwortung und Erfolg, zwischen Wissen und Macht und das Grauen vor einer bevorstehenden zerstörerischen Katastrophe durch die Menschen verliert Soldberg vor lauter Ideenreichtum jedoch aus den Augen und sie verschwinden in den Kammerspielen in einem schwarzen Loch.

In einem Wasserbecken, welches in der Mitte der Bühne aufgebaut ist, geht so ziemlich alles baden, was auch nur annähernd Vernunft besaß.

 

Einige Beispiele

Seifenblasen und Einstein (Holger Kraft) steigen in die Luft, eine XXL-Tablette rollt immer wieder über die Bühne, es schneit und am Ende geht alles baden.

Vor lauter Schnee hat wohl auch Jon Schnee sich zu den drei Physikern ins Sanatorium verirrt, welches sich schließlich nicht allzu sehr von den Sieben Königslanden unterscheidet, wo doch bei beiden momentan eine Irre an der Macht sitzt. Wo wir schon von Macht sprechen, auch Jedimeister Yoda konnte es sich wohl nicht nehmen, das Stück mit seinen grammatikalisch tiefgründigen Weisheiten zu bereichern. Zuletzt wären da noch Glenn Goltz als Herbert Georg Beutler (genannt Newton), welcher hin und wieder eine kleine Tanzeinlage ablegt, bis er schlussendlich halbnackt in einem Terrarium liegt und Helene Fischer, Verzeihung, ich meine natürlich Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd (Sophie Basse), welche am Ende die bittere Pointe des Stücks formuliert.

 

Im Rausch des Wahnsinns: Sören Wunderlich als Möbius Foto: Thilo Beu

Der Ernst des Stücks hat sich wohl ebenso wie Ernst Heinrich Ernesti (genannt Einstein) dazu entschlossen, unterzutauchen. Nur ab und zu erscheint er abseits der Bühne in Form von Projektionen von Donald Trump, Kriegsszenen und Demonstrationen.

Das Beste kommt zum Schluss

Auch wenn dem Irrsinn des Stücks jeglicher Sinn fehlte, so spielte sich der ganze Wahnsinn zumindest vor einem projizierten Kosmos ab, so dass immerhin ein vager Zusammenhang zur Physik zu vermuten ist.

Und zum Glück sind da ja auch noch die Schauspieler. Sören Wunderlich bewahrt auch in klatschnasser Unterwäsche noch die Würde eines innerlich komplett zerrissenen Mannes und Johanna Falkner bringt als Frau Rose überzeugend Emotionen in das Wirrwarr aus verrückten Erscheinungen.

CG